09.04.2012

Angst und Zweck

Ausgabe vom 4. April 2012



"Wie wir in der Folge einer Angst handeln und wie wir die Situation einschätzen, hängt also massgeblich davon ab, welchem Wissensangebot wir uns anschliessen wollen." So lautet die bange Prognose des Erziehungswissenschaftlers Marcus Balzereit in seinem aufschlussreichen Aufsatz Kein Grund zur Panik? Wie mit dem Wissen über die Angst regiert wird (polar Zeitschrift #11).
Das klingt nach einer freien Entscheidung, im ersten Moment. Die Prognose spielt aber auch mit dem Kalkül, dass Angst verpackt in ein mediales Wissensangebot vermittelt werde und dass diese bei Konsumenten und Konsumentinnen einen Zweck erfülle. Denjenigen nämlich, ihr subjektives Handeln auf eine Norm hin ausgerichtet legitimieren zu können.

Die ganze Düsternis solcher Presse entpuppt sich, wenn die Unbestimmtheit subjektiver Ängste wiederum auf einen allgemeinen Begriff gebracht wird. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard erklärt diese Rückführung mit der Unmöglichkeit, sich die Begründung seiner Handlungen vollkommen unabhängig zu liefern. Wenn auch Normen und Gesetze stabile Orientierungsgrundlagen bilden, so vermögen sie nicht die sich ängstigende Person aus der Angst um das Nichtwissen herauszuführen, was richtig und was falsch sei. Diese letzte Sicherheit in der Handlungsauslegung könne sie nur von einem Gott empfangen.
Was hier Rettung von der Not des Lesenden verspricht, ist der systematische Versuch der Autoren, ein Verlangen nach rechtem Handeln zu formen. Von den Ängstigenden wird das Medium angerufen, sie in ein sicheres Verhältnis zu geleiten, wo Angst sie in ihrer allgemeinen Begrifflichkeit wieder eint.

"Wer also in Konkurrenz zu anderen Anbietern, erfolgreich zu lehren versteht, was genau 'die Angst' sei, der nimmt Einfluss auf das Handeln derer, die an sein Wissen glauben. Ohne, und das ist der praktische Witz, dass er dies von ihnen zuvor hätte verlangen müssen." (Balzereit, ebd.)

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