was hat man gesehen von der welt, mit 21 jahren? was kann man sagen über die süsse verzweiflung an einer unglücklichen liebe? welches sind die sorgen eines 21-jährigen?
in der vertonung von james blake klingen sie nach lebenstriefender erfahrung. nach schmerzlicher versehrtheit des selbst. irgendwie geniert man sich etwas, sein debut anzuhören. nicht etwa, weil es letzte woche einmal quer durchs internet und wieder zurück geleakt ist. nein, -ich habe gelegentlich vom merkwürdigen ausdruck "teen angst" gelesen. von den dämonen des erwachsenwerdens. ein ehrfurchtgebietender spuk, dem die gewesene jugend abzuringen ist. teile des jung-seins, welche es um jeden preis ins spätere leben hinüberzuretten gilt. in der zeit dieser formgebung ist man mit verlustängsten konfrontiert, so unmittelbar, wie kaum je. blake zollt dieser auseinandersetzung mit einem wundersamen grundton einen tribut, wie er ernsthafter nicht sein könnte. diese stimmung hat ihren ursprung in der besänftigenden selbstbezogenheit des dubstep. bei james blake wird er zum zweckdienlichen transportmittel für sturm und drang.
so kommt es, dass limit to your love - eines der herausragenden lieder des albums - mit seinem totalen bass das innerste verdichtet. kleinste lücken zwischen wahrnehmung und urteil werden damit geschlossen. alle vernunft ist ausgebootet, wenn das lied mit der seele in kontakt tritt.
als zuhörer zu stören - das ist eine erfahrung, die man bisweilen macht, wenn es sich um besonders intime musik handelt. man ist dem künstler verbunden, fühlt sich verstanden, in der eigenen erfahrung dieser lebensphase und ist gleichzeitig peinlich berührt, von der fatalistischen färbung der klänge. so carelessly there, is it truth or dare.
teen angst ist eines der kraftvollen leitmotive, welche das leben hervorbringt. wie das klagen eines antony hegarty von der verzweiflung genährt wird, ist es bei james blake eine stille zuversicht. sein klagen klingt hoffnungsvoll, auf eine bescheidene und demütige art. dazu trägt auch die gospelhafte ballade measurements zum ende des albums bei. läuterung, blues, -eine ganze spielzeit lang. wenig pathos, dafür viel pietät.
wie ein kollege sich andernorts ausdrückt: man dürfe sich glücklich schätzen, dass sich ein dubstep-produzent aufmache, soulmusik eine neue definition zu geben. dem ist nichts hinzuzufügen.
der minimalistischen darstellung von musik-genres haben sich auf anfrage des kurators und labelinhabersnitzan 13 designer verpflichtet. das projekt unter dem namen edits sieht vor, mit nur einem gestalteten element und einem schriftzug einen musikstil abzubilden. unter diesen rigiden grafischen vorgaben eine lebendige und fassbare visualisierung hinzukriegen, ist schwierig genug, möchte man meinen. aber wenn es sich dann noch um einen gegenstand der auditiven erfahrung handelt, der da veranschaulicht werden soll, dann sind selbst die geübtesten grafiker gefordert. dass den hohen ansprüchen dieser transformationsleistung nicht immer genüge getan wird, ist daher nicht weiter verwunderlich.
an dieser stelle begnügen wir uns mit dem favoriten von mark boyce. wie könnte es anders sein: S-O-U-L
die family fodder um alig fodder hat vieles schon gesehen. an ihnen sind die zungen der kritiker gleich reihenweise zerbrochen. alle geistreichen worte kommen einer unverblümten herabwürdigung ihrer musik gleich. also sagen wir - halb konsterniert, halb resigniert - die family fodder sind punks. da die aber alle in den 70ern gestorben sind, begibt man sich weiter auf die marternde suche nach zuschreibungen.
das überwiegende attribut wird wohl die missachtung konventioneller genre-grenzen sein. wer gängigen strukturen das unbedingte existenzrecht aberkennt, wird als anarchist bezeichnet. geschieht das lautstark und stapfen auch bald gleichgesinnte mit, ruft das den verfassungs- oder staatsschutz auf das programm. im musikalischen sinn versagen in diesem fall die konventionellen vermarktungsstrategien und das produkt wird im abteil world music mit verachtung bestraft.
wir klagen diese verhältnisse nicht an. ohne sie wäre es wohl kaum möglich, etwas wie classical music hervorzubringen. gerade diese gegensätze sind es, welche das album so frech und unbeschwert erscheinen lassen. wer sehen will, wird sehen. wer hören will, wird hören.
was das kalifornische dj/produzenten-duo classixx das jahr über so anstellte, versetzte die federlande in helle freude. remixes von yacht über phoenix zu major lazer sind auf ihrer myspace seite zu geniessen. bisherige höhepunkte sind aber an der arbeit mit no. 1 whiteboy soulero mayer hawthorne auszumachen. zum einen war da ende 2009 dieser erfrischende remix von green eyed love, welches den abspann von mayer's debut album a strange arrangement zierte. ein jahr später haben classixx zusammen mit hawthorne den song no strings produziert. diese entwicklungen lassen auf eine gemeinsame lp hoffen. ob's so weit kommt und ob dieses dream team den elektronischen soul in die neue dekade führt, bleibt aber vorerst eins der grossen geheimnisse, die 2011 für uns bereithält.
in der federlande ist man mittlerweile damit beschäftigt, das musikjahr 2010 in eine überschaubare ordnung zu bringen. man trennt die spreu vom weizen, -die guten ins töpfchen, die schlechten ins kröpfchen. eine unnatürliche auslese, wenn man so will. mühevoll werden erinnerungen aufpoliert, um die entsprechenden (klang-)erlebnisse bei der bewertung als indikatoren anzuführen. dabei verläuft das ausleseverfahren bei weitem nicht so wissenschaftlich, wie's jetzt klingen mag. oft gibt es regelrechte kriege auszufechten. man betrügt, verrät und lässt sich tränenüberströmt trösten. jedes jahr derselbe sentimentale rittberger im angesicht der audiophilen glaubwürdigkeit.
es gilt, distanz zu halten, zu den verlustängsten dem eigenen status gegenüber. und zwar indem man proklamiert, eine eigenständige, authentische liste erstellt zu haben. die unabhängigkeit spricht man vortrefflicherweise gegenüber den gängigen musikzeitschriften und online-magazinen aus. schafft man es, diese distanz glaubhaft auszuweisen, ist einem das ansehen der beknieten kreise gewiss.
die federlande hat es da leicht. man kann ihr ziemlich alles vorwerfen. aber nicht den lustverlust. es ist den vertrauten (da die federlande weder territoriale ansprüche noch eine bevölkerung hat, charakterisiert sich der verbund ihr zugetaner menschen über einen gemeinsamen zustand des vertraut-seins) ein mächtiges bedürfnis, die freude an der musik und damit den lustvollen umgang damit unter dem jahr, in einer liste zu veranschaulichen. die kommenden wochen stehen ganz unter dem stern dieses themas. die federlande begeht diese zeit würdevoll und widmet ihr hohe feierlichkeit. das zeremoniell ist somit eingeleitet.
zur entschädigung wird an dieser stelle ein song verraten, welcher unter den top 20 vertreten sein wird.
ich weiss wirklich nicht, was genau diese frau so ikonenhaft erscheinen lässt. fakt ist, dass innert kürzester zeit ein regelrechter kult (ihr wisst schon, die rückführung internetbasierter aufregung an einen ort, den unsere eltern als "real life" kannten) um ihre person entstanden ist.
mal sehen. lateinamerikanische wurzeln in der pop-industrie des westens: el guincho? na ja, -lassen wir das.
ich sehe mich eher dazu geneigt, eine schmale aber begehbare passerelle zu lula côrtes' und zé ramalho's ebenso legendärem, wie brachialem nas paredes da pedra encantadaeinzuschlagen. für diesen speziellen song von rita indiana zumindest.
rita indiana hernández ist eine dominikanische multimedia-künstlerin und hat zwei erfolgreiche novellen geschrieben. sie lebt in einer gleichgeschlechtlichen beziehung mit der regisseurin des zuvor gezeigten clips. das ist alles, was zur person rita indiana's in erfahrung zu bringen war. mehr als genug, eigentlich. denn was in diesem rahmen wirklich zählt, ist die musik. das wollen wir mal nicht vergessen.
das betriebssystem, worauf el juidero, das debut von rita indiana y los misterios läuft, heisst merengue und ist nicht eben das allgemein bekömmlichste. wenn in bestem lateinamerikanischem stil die perkussion in atemberaubender kadenz loslegt, gehen wir mitteleuropäer in deckung, wie das bei unangekündigtem trommelfeuer empfohlen wird.
glücklicherweise stehen rita und ihren jungs genügend stilmittel zur verfügung, die dichte der reinen rhythmik aufzulockern. und so kommt am ende das entscheidende element dazu: die experimentelle komponente. in diesem fall, da das betriebssystem ein exotisches ist, handelt es sich bei dieser experimentellen komponente um nichts einfacheres, als westlichen pop. seien es süffige gitarren-chords oder wirkungsvolle synth-einsätze. die rechnung geht auf.
el juidero ist winterlicher hochgenuss. die federlande scheut sich nicht, dazu zu tanzen. wenn man auch nachsichtig schmunzelnd mit fingern auf uns zeigen wird. diesen teufelstanz unter dem buntgeschmückten christbaum lassen wir uns nicht entgehen! denn der teufel spricht spanisch - er wird die inquisition nicht vergessen haben.
gayngs. kaum etwas hat sich so heilvoll über das ganze jahr gelegt, wie relayted. das debut und vielleicht einzige album dieser super group. verschiedene indie-grössen haben sich für relayted zusammengefunden, um etwas zu erschaffen, das erstaunlicherweise mit dem physischen vorgang der wärmeerzeugung mehr zu tun hat, als mit einfacher musik. wer ernsthaft um das beste release 2010 mitreden will, sollte relayted gehört haben.
ums album geht es hier nur im erweiterten sinn. denn die band hat zwei covers eingespielt, welche niemandem vorenthalten bleiben sollten.
by your side, ein sade cover, wurde anlässlich der daytrotter-session anfangs oktober aufgenommen.
