09.11.2012

sentenz



"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen."


theodor w. adorno
minima moralia - reflexionen aus dem beschädigten leben

27.10.2012

sundog - insofar

wer hat sich denn schon sattgesehen an diesen farben? der kreislauf nimmt mit dem ersterben der natur seinen anfang. es ist frühling - der frühling des sterbens: "it was autumn, the springtime of death. rain spattered the rotting leaves, and a wild wind wailed. death was singing in the shower. death was happy to be alive." (tom robbins, still life with woodpecker)

gut wenn in der betrachtung der ersten schneeflocken ein versöhnlicher frieden spürbar ist, dass sich das schon alles richtig ergebe. in diesem sinn macht sich die moderne kammermusik von arthur jeffes und oli langford als mediator verdient. insofar ist ein grossartiger vermittler zwischen persönlicher innenwelt und der unaufhaltsamkeit unseres naturzyklus.







21.10.2012

sentenz

 
"Präferenzen sind etwas für Diener, weil man sie damit auf etwas festnageln kann."

dirk baecker
kleinere beiträge zur sozialkunde

26.06.2012

bastard post

zwei songs. 1966 vs. 2012. entscheidet selbst.

























the kinks - I'm not like everybody else (face to face)






allah las - tell me (what's on your mind) (ep)

10.06.2012

sentenz



"Dem Wissen aber darf man, wenn es förderlich sein soll, bei sich nicht bloss Unterkunft gewähren - man muss den Bund fürs Leben mit ihm schliessen."



michel de montaigne
essais - erstes buch, "über die knabenerziehung"

09.06.2012

bastard post

zwei songs. cover vs. original. entscheidet selbst.





ariel pink's haunted graffiti feat. dâm-funk - baby (mature themes)








donnie & joe emerson - baby (dreamin' wild)

03.06.2012

alt-j - an awesome wave




die federlande hegt keineswegs die absicht, kritik am lob zu üben, welches sich allenthalben über dieses wohlgeratene debutalbum ergoss. vielmehr wollen wir einstimmen und uns mit in die begeisterungswelle werfen. wer sich wiederfindet in der wilden flut, teilt den trubel mit den geistern von clouddead und der incredible string band. nichts zu abwegig, dieser musik ihr aussergewöhnliches kolorit zu verleihen.




24.05.2012

kindness - world you need a change of mind





>>adam bainbridge ist kindness
er macht kolonial inspirierte musik und trägt sein haar offen
ramon ist eigentlich seine mutter
der zufall will es, dass sie jünger ist als er
adam zeigt sich bescheiden darüber
in falschen mikrofonen klingen seine lieder nicht<<



 





23.05.2012

bastard post

zwei songs. original vs. cover. entscheidet selbst.





czeslaw niemen - lilacs & champagne (mourner's rhapsody)






lilacs & champagne - lilacs (s/t)

19.05.2012

a quick one




wie ein quengeliges kind verweigert sich bobby conn auf gedeih und verderb dem rechtschaffenen song. dass die beiden sich gut kennen und eigentlich den ungezwungenen umgang einer alten bekanntschaft miteinander pflegen könnten, hat conn auf seinen bisher sechs studioalben bewiesen. jeder harmonische akkord schürt aber in conn das verlangen, seiner gitarre weh zu tun. so beginnt er nach jedem hübschen song zu fremdeln und zieht sich zornig zurück in seine subversion. wer sind wir, über kreativität solcher art anhand kleinlicher kategorien wie "gute" und "schlechte" songs zu urteilen?


bobby conn   whores (the golden age)

16.05.2012

co(te)lette





"no story-telling, no solution and no ending. co(te)lette's story is restless and.. empty."








mit der choreographie von ann van den broek wird den versäumnissen des  jüngeren (post)feminismus in erschütternder weise ausdruck gegeben. co(te)lette, aufgenommen von mike figgis, ist ebenso antifeministisch, wie antisexistisch. letzterem kann man entgegenhalten, dass doch der ästhetik des nackten frauenleibs bühne geboten wird. da die nacktheit selbst aber in einem mass instrumentalisiert wird, den blick auf den weiblichen körper blosszulegen, wird ihr die kausalität zur lüsternheit gekappt. die entblössten leiber sind grobschlächtige werkzeuge der demontage ihrer eigenen erscheinung.

was von jennifer edwards in der huffington post so treffend beschrieben wurde, soll hier nicht repetiert werden. co(te)lette hat als ausgangspunkt einer neuen diskussion um die paradigmen des frauenbilds definitiv eine grosse plattform verdient.

im unergründlichen ubuweb kann das komplette werk gestreamt werden. wer sich den film ansehen will wird wissen, dass es sich nicht um sechzig selige minuten handelt, die da auf einen warten.

13.05.2012

sentenz



“The fundamental cause of trouble in the world is that the stupid are cocksure while the intelligent are full of doubt.”



bertrand russell
"the triumph of stupidity" (1933-05-10) in mortals and others: bertrand russell's american essays, 1931-1935

aufarbeiten: bahamas - barchords




wie dreist es ist, unter der überschrift eines albums in erster linie über einen einzelnen song zu berichten, mag der beurteilung jedes einzelnen zu grunde liegen. aus einschlägigen berichten ist zu entnehmen, dass es sich bei barchords um eine vorzügliche referenz des jungen gitarristen afie jurvanen handle, der sein können auch schon in den dienst von leslie feist gestellt hat. von diesen umständen sah sich der autor dazu veranlasst, barchords in seiner ganzen fülle mindestens zu erwähnen.
der einstand dieses albums ist es ganz besonders wert, gründlicher betrachtung unterzogen zu werden. denn hier stellt sich die frage, mit welcher sich jene konfrontiert sehen, die ewig rätslen über die beschaffenheit grossartiger musikstücke, mit grossem nachdruck. es ist die frage nach einer versteckten zutat und die frage nach dem ebenso geheimnisvollen übereinstimmen in allen einzelheiten des stückes.
die sparsame präzision der fender stratocaster von afie jurvanen ist es nur in zweiter instanz, die lost in the light, den ersten track auf barchords, zur kostbarkeit macht. vorderhand ist lost in the light ein präzendenzstück für die unwiderlegbare herrlichkeit von sorgfältigem backgroundgesang. dieses axiom lässt sich im übrigen auch mit dem letzten post (a quick one) hervorragend belegen.



bahamas - lost in the light (barchords)

10.05.2012

09.05.2012

bastard post

literarische morbidität vs. musikalische romantik. entscheidet selbst.




"[..] Jeder, der den Willen zur wichtigsten Freiheit hat, muss es wagen, sich zu töten. Wer es wagt, sich zu töten, der hat das Geheimnis des Betruges erkannt. Weiter gibt es keine Freiheit; das ist alles, weiter gibt es nichts. Wer sich zu töten wagt, ist ein Gott. Jetzt kann es jeder machen, dass Gott nicht mehr ist und überhaupt nichts ist. Aber noch keiner hat es jemals getan."




alexej nilytsch kirillow
in die dämonen von fjodor dostojewskij






scott walker - my death im original von jacques brel (scott)

05.05.2012

personal space: electronic soul 1974 - 1984




einst lebte eine heimwehkranke kreatur bei mir. es war ihm der name Commander Woo Woo gegeben. des nachts, auf seiner hundehütte sitzend, pflegte er ihn im frühsten welpenalter schon sehnsuchtsvoll und in klagenden vokalen dem all entgegenzuhalten. der weite himmel über ihm und in ihm verursachte dem tier eine eigenartige physiognomie: ein paar mandelkerngrosse augen wuchsen ihm ebenda, wo die schädeldecke die höchste rundung des kopfes beschrieb. sie waren von oben her ganz grade da hineinversetzt, sodass sie stets aufwärts blickten. wenn sie offen standen, ergoss sich daraus eine weite, als würde durch den hund die unendlichkeit des kosmos in die kleine stube gefüllt, in der das kaminfeuer ungeduldige schatten an die wände warf. und wie er so da lag, seine spitze schnauze auf dem boden ausruhend, taten sie dem unselig gebund'nen wesen keinen geringeren dienst, als alles herkommen, den anfang und das unschaubare ende mit seiner ganzen unergründlichkeit herzuzwingen, in ihrem glanz ein fiebriges pantomimenspiel zu geben. was er sah - und ich in ihm - war nun nicht weniger unaussprechlich als zuvor, wenn es nicht hereingefunden hätte, vom haarigen getier auf solch unpassende bühne gedrängt.
--
du weisst nicht woher es kommt und wer der empfänger ist. aber was du davon erlangen kannst, fühlt sich gut an und du lauschst verzückt.

personal space: electronic soul 1974 - 1984 ist auf chocolate industries erschienen. produktbezogenere informationen sind deren homepage zu entnehmen.


the makers - don't challenge me (personal space: electronic space 1974 - 1984)




steve elliot - one more time (personal space: electronic space 1974 - 1984)




starship commander woo woo - master ship (personal space: electronic space 1974 - 1984)





21.04.2012

a quick one



francis bebey - the coffee cola song (african electronic music 1975 - 1982)
yé yé fever

15.04.2012

le havre - aki kaurismäki




kaurismäki's filme sind unspektakulär, gewiss. le havre nimmt aber in kaurismäki's schaffen einen besonderen platz ein - nicht was das spektakel betrifft. in gewohntem rahmen reihen sich da bescheiden die kleinen dramen des lebens aneinander, wie die matten perlen an einer vergessenen halskette. mit jedem einzelnen charakter im film wird ein kleines stück verlebtes leben vorgetragen. das geschieht freilich ganz still und unprätentiös. in le havre aber lässt kaurismäki die protagonisten von licht und hoffnung einer hafenstadt durchdringen. schwermut und drama werden abermals aufgebrochen. die protagonisten schöpfen kraft, sich gegen das persönliche elend aufzulehnen. diese kraft ist es denn auch, was dem film ein glückliches ende verschafft. le havre ist ein rührendes plädoyer für den ausweg. dieser ist in anderen werken kaurismäki's kategorisch verschüttet und nicht gangbar.

die see, als metapher für die entfesselung der menschlichen seele, wird von der britischen beat band the renegades wunderschön besungen. kaurismäki lässt sie den anfang und das ende des films einläuten.

the renegades - matelot

11.04.2012

bastard post

zwei songs. 1957 vs. 2012. entscheidet selbst.




sam cooke - you send me (sam cooke)





caught a ghost - you send me

09.04.2012

Angst und Zweck

Ausgabe vom 4. April 2012



"Wie wir in der Folge einer Angst handeln und wie wir die Situation einschätzen, hängt also massgeblich davon ab, welchem Wissensangebot wir uns anschliessen wollen." So lautet die bange Prognose des Erziehungswissenschaftlers Marcus Balzereit in seinem aufschlussreichen Aufsatz Kein Grund zur Panik? Wie mit dem Wissen über die Angst regiert wird (polar Zeitschrift #11).
Das klingt nach einer freien Entscheidung, im ersten Moment. Die Prognose spielt aber auch mit dem Kalkül, dass Angst verpackt in ein mediales Wissensangebot vermittelt werde und dass diese bei Konsumenten und Konsumentinnen einen Zweck erfülle. Denjenigen nämlich, ihr subjektives Handeln auf eine Norm hin ausgerichtet legitimieren zu können.

Die ganze Düsternis solcher Presse entpuppt sich, wenn die Unbestimmtheit subjektiver Ängste wiederum auf einen allgemeinen Begriff gebracht wird. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard erklärt diese Rückführung mit der Unmöglichkeit, sich die Begründung seiner Handlungen vollkommen unabhängig zu liefern. Wenn auch Normen und Gesetze stabile Orientierungsgrundlagen bilden, so vermögen sie nicht die sich ängstigende Person aus der Angst um das Nichtwissen herauszuführen, was richtig und was falsch sei. Diese letzte Sicherheit in der Handlungsauslegung könne sie nur von einem Gott empfangen.
Was hier Rettung von der Not des Lesenden verspricht, ist der systematische Versuch der Autoren, ein Verlangen nach rechtem Handeln zu formen. Von den Ängstigenden wird das Medium angerufen, sie in ein sicheres Verhältnis zu geleiten, wo Angst sie in ihrer allgemeinen Begrifflichkeit wieder eint.

"Wer also in Konkurrenz zu anderen Anbietern, erfolgreich zu lehren versteht, was genau 'die Angst' sei, der nimmt Einfluss auf das Handeln derer, die an sein Wissen glauben. Ohne, und das ist der praktische Witz, dass er dies von ihnen zuvor hätte verlangen müssen." (Balzereit, ebd.)

02.04.2012

sentenz




"Hüte deine Träume; die der Weisen sind nicht so schön wie die der Narren!"




charles baudelaire
les fleurs du mal

24.03.2012

sentenz

(bisschen mehr beat, bitte!)



ginsberg & kerouac



"[1. Ich sah die besten Köpfe meiner Generation vom Wahnsinn zerstört, verhungernd hysterisch nackt,] 53. die ihre Armbanduhren vom Dach warfen, um ihre Stimme abzugeben für eine Ewigkeit jenseits der Zeit, und während der nächsten zehn Jahre fiel ihnen jeden Tag ein Wecker auf den Kopf"



allen ginsberg
das geheul (howl)

22.03.2012

bastard post

zwei songs. 1968 vs. 1985. entscheidet selbst.




marvin gaye - got to give it up (I heard it through the grapevine)
for dancefloors









the durutti column - for belgian friends (domo arigato)
for dreams

15.03.2012

a quick one



andy bey - river man (shades of bey)

sentenz

   


"Die Musik erfasst mich oft wie ein Meer! Meinem bleichen Stern entgegen, unter einer Nebel-Decke oder in offener Himmelsweite, setz ich das Segel;


Die Brust voraus und die Lungen geschwellt wie Tuch im Wind, erklimme ich den Rücken der aufgetürmten Wogen, die mir die Nacht verhüllt;


Ich fühle alle Leidenschaften mich durchzittern eines schmerzlich ringenden Schiffes, der gute Wind, der Sturm und seine Zuckungen


Auf dem unendlichen Abgrund wiegen mich. - Und manchmal auch: Windstille, grosser Spiegel meiner Verzweiflung!"






"La musique souvent me prend comme une mer!
Vers ma pâle étoile,
Sous un plafond de brume ou dans un vaste éther,
Je mets à la voile;

La poitrine en avant et les poumons gonflés
Comme de la toile;
J'escalade de dos des flots amoncelés
Que la nuit me voile;

Je sens vibrer en moi toutes les passions
D'un vaisseau qui souffre;
Le bon vent, la tempête et ses convulsions

Sur l'immense gouffre
Me bercent. D'autres fois, calme plat, grand miroir
De mon désespoir!"





charles baudelaire
les fleurs du mal

13.03.2012

michael kiwanuka - home again




vorfreude ist bekanntlich eine glückshormonfabrik. die belohnung wird erlebt, bevor die belohnung eigentlich eintrifft. das ist insofern bemerkenswert, als dass wir dem ersehnten gegen- respektive zustand mit einer völlig anderen erwartung begegnen. in unserer vorstellung lassen wir uns von ihm beseelen und hoffen darauf, dass er uns des verlangens nach ihm entledige. in seiner erreichbarkeit liegt viel eher die auflösung des glücks, als dass es darin begründet läge.

michael kiwanuka nun hat die vorfreude nach kräften genährt, mit sogenannten extended plays. der weg zu seinem nun erschienen debut album home again war deshalb ein einziger ritt auf wilden glückshormonen. damit jedoch nicht genug: der zauber hält an - was den merkfähigeren lesern als widerspruch zur eingangs aufgeworfenen these auffallen dürfte. gleichzeitig stützt es - und das ist ungemein viel wichtiger! - unsere innigste überzeugung, dass musik der lohnendste, direkteste, rückschlagärmste und fortwährendste weg richtung glückseligkeit ist.

auf michael's soundcloud sind die meisten stücke von home again versammelt. tut euch und der welt einen gefallen: hört mehr solche musik. die ahnengalerie von terry callier über jon lucien bis john martyn und robbie robertson oder levon helm lässt danken.

08.03.2012

alabama shakes - boys and girls




jemand wie brittany von den alabama shakes trägt das herz auf der zunge - und wenn sie singt, bringt sie das blut in wallung. musik für die eingeweide.

boys and girls erscheint am 9. april 2012. bis dahin sind speziell die beiden letzten stücke der ep eine abdominale wohltat.




05.03.2012

sentenz



"Wirklich ermüdend an The Turin Horse ist die Kombination aus einem Inhalt, der sich beharrlich weigert, etwas zu erzählen, und einer Aufmachung, die ständig Bedeutung suggeriert."



michael kienzl
filmkritik auf critic.de

04.03.2012

Beck






Sensation der Musik

Von allen Musikern, die ich bewundere und die mich über lange Zeit hin begleiten, ist Beck Hansen der einzige, dessen Lebenswerk ich aus einer aktuellen Perspektive überblicken kann. Mit kindlichem Eifer folgte ich seinem Schaffen, seit er erstmals auf den grossen Bühnen erschienen ist.

Meinem musikalischen Enthusiasmus sind bis heute kaum Grenzen gesetzt. Mit der Zeit verlor ich den Glauben an ein bestimmtes Muster, welchem die eigene Aufmerksamkeit folgt. Attraktion und Gefallen haben sich als ebenso vielfältig herausgestellt, wie die begehrten Objekte dieser Launen. Es ist die Reifeprüfung des Musikverständnisses, wenn auf die Frage nach dem Musikgeschmack nur stummes Kiemenflattern folgt. Zu sagen wäre Vieles, soviel versteht sich. Die Antwort lässt sich aber im besten Fall bruchstückhaft und um wesentliche Anteile beschnitten übermitteln.

Marcel Proust erkannte den Geist der darstellenden Kunst als Wahrheit, die einer wirklicheren Welt angehört als jener, in der wir leben. Und er bezeichnete das Vergnügen, welches den Konsum begleitet, als „unerlässliche Form, in der ich diese Wahrheiten in mein Bewusstsein überführen konnte [..]“. Ein Moment der Transzendierung also, wo Musik in Geist übergeht. Ein guter Happen New Age für die einen – aber sicher auch mit ein Grund, weshalb auf die Frage nach musikalischen Vorlieben vielsagend geschwiegen wird.

Mein Gefallen an der Musik von Beck Hansen sehe ich in engem Zusammenhang mit dem Glück, den Künstler im Zeitverlauf beobachten zu können. Moden, Trends und die Dynamik, welcher seine Musik in diesem Spannungsfeld folgte – das sind Faktoren, woraus sich die anhaltende Attraktion geformt hat. Sie steht in einem Gegensatz zu anderen Künstlern, die ich verehre, deren grosse Werke aber weit älter datiert sind, als diejenigen von Beck.

Das Lebenswerk von Beck hat sich losgelöst von sonst gültigen Qualitätskriterien. Es ist ein heikles Unterfangen, für eine Sache einzustehen, welche man unter anderen Voraussetzungen anders einschätzen würde. Sich dabei selber auf die Schliche zu kommen, braucht Übung. Denn offensichtlich entwickelt man Strategien, die Vorliebe zu decken, wenn immer man sie in Frage gestellt sieht. Hier wird mit verschiedenen Ellen gemessen. Und wenn darüber Rechtfertigung eingefordert wird, kann das Reflexe provozieren, die nicht weniger entblössend wirken, als der berühmte Windstoss unter den Rock. Alle Übung kann einen nicht von diesem peinlichen Eingenommensein befreien. So bleibt an der Attraktion dieser Sorte immer etwas Kindliches lebendig, das sich mit grossen, glänzenden Augen bestaunen lässt.


Aufnahmen und Effekte


Die Faszination nahm mit Loser und dem Album Mellow Gold 1994 ihren Anfang. Ungezählte Stunden verbrachte ich als Vierzehnjähriger rücklings auf dem Boden liegend, in die roten Deckenlichter starrend. Müssiggang von einem aufreibenden Teenagerleben, was meinem Anspruch an eine wirklichere Welt vollends Genüge tat. In den zwei Jahren bis Odelay, dem nächstbesten Albumrelease von Beck, hatte sich keine Sekunde der 70 Minuten Spielzeit von Mellow Gold totgehört. Im Gegenteil: was sich zum soliden Fundament für die neue Wirklichkeit verfestigt hatte, verlangte nach neuen Baumaterialien. Dieser vermeintliche Eskapismus eines Halbwüchsigen war in Wirklichkeit keiner. Es gab nichts, was mich Mellow Gold oder Odelay hätten fliehen machen können. Die ganze Brühe fing mit dieser Musik erst an zu leben – es dauerte eine Weile, bis ich dem Prinzip der Wirklichkeitsanreicherung auf die Spur kam, was ich ebenfalls der unendlichen Gunst der Musik verdanke. Die Erklärung dafür folgt an späterer Stelle.

Es waren weitere zwei Jahre zu überbrücken, bis einer meiner Favoriten in Beck’s Katalog erscheinen sollte. Für mein Verständnis hatte sich alles bisher veröffentlichte von Beck bewährt, dass ich nun meine Rechercheinstinkte geweckt sah. Ich war bereit, den Abwegen dieser Musik zu folgen, was zur wohl deutlichsten Prägung in meinem Leben als Musikenthusiast werden sollte. Viele Inspirationsquellen von Beck haben sich mir seit dieser Zeit erschlossen, während sie gleichzeitig Beck’s Status als offener Kreativer weiter festigten.

In dieser Zeit machte ich meinen Frieden mit One Foot in the Grave, welches amerikanische Musiktradition durch einen Trailerpark defilieren lässt. Diese Musik begann in ihrer Bedeutung weit über ihre einzelnen Komponenten hinauszuwachsen. Es war von nun an nicht mehr Vorrecht des Klangs, einziger Mittelpunkt der Musik zu sein. Ein Schlüsselerlebnis initiiert von einem Album, das im Wesentlichen primitive Grundzüge aufweist.

Mit Mutations hat Beck eins seiner wichtigsten Alben geschaffen. Seine Versatilität und Stilsicherheit gewann ganz neue Horizonte. Inmitten dieser trägen Melancholie voller uferloser Melodien wächst ein Lied mit dem Namen Tropicalia. Eine Kühnheit, die zusammen mit der durchgängigen Psychedelik des Albums surreale Formen annahm und meine Wahrnehmung von Musik aufs Neue veränderte.

Kurz darauf folgte das verkannte Midnight Vultures, in dessen Folge sich mir die erste Möglichkeit bot, Beck auf der Bühne zu erleben. Mit einer gut viertelstündigen Version des Soul Crooners Debra erfüllte sich mir im Volkshaus einer der tiefst gehegten Wünsche jener Zeit. Das Album ist seither unverrückbar mit diesem Ereignis gekoppelt und weckt noch heute unnachgiebig die typischen, kleinen Sinneseindrücke jener Nacht. Erklingt der Song Peaches & Cream, meine ich bis heute die Bodenauskleidung des Armee VW Busses zu riechen, mit welchem wir zum Konzert unterwegs waren.

Sea Change wurde vorab Stück für Stück auf Beck’s Webpage veröffentlicht. Es blieb das Album von Beck, mit welchem ich die weiteste Strecke zurückgelegt habe. Es hörte sich keine Zweimal gleich an. Irgendwann begann ich mir eine Vorstellung von der Kraft zu machen, die den Hörenden wie mit Geisterhand bewegt, immer weg vom vergangenen Hörerlebnis. Und ich war gerührt davon. Damit Sea Change die Bedeutung zukommen konnte, die es verdiente, musste es im ersten Moment irritieren. Diese Verwandlung der Musik machte es mir von nun an schwer, absolute Aussagen zu treffen über sie. Sie nährte allgemein ein Misstrauen, gegenüber der gängigen Interpretation von Geschmack. Welche Bewandtnis sollte es damit haben, wenn diese Musik so dynamisch und unberechenbar an Orte vorstiess, die ich mit meinem Geschmack hermetisch abgeriegelt hatte?

Guero war Beck’s Ode an die Strassen Los Angeles‘. In seinen Songs schwang dieses sehr konkrete Stadtgefühl. Es färbte meine Erinnerung an die Stadt komplett neu ein. L.A. hatte sich mir auf meiner Reise durch die USA nicht richtig erschlossen. Songs wie Earthquake Weather eröffneten mir neuen Zugang. Das war ein tiefer Eindruck einer Stadt, die real so nicht existiert – eine angereicherte Wirklichkeit eben. Das Resultat aus Erinnerung plus Musik.

Die Vertragserfüllung, welche Beck mit den beiden kommenden Alben The Information und Modern Guilt erreicht haben würde, gab mir hinter allem Einfallsreichtum den Arbeiter zu erkennen.

Mit der DVD, welche zusätzlich zum Album The Information geliefert wurde, hielt die Freude Einzug in unser Haus am See. Als handelte es sich um den neuesten Blockbuster, sassen wir gespannt vor dem TV und verfolgten die simplen Clips. Unzählige Stunden vibrierten die Bässe das Sägemehl aus den Ritzen der alten Balken. Dieses Haus sah Jahrhunderte ins Land ziehen. Vermutlich hatte es sich nie so bewegen lassen, wie es mit dieser Musik der Fall war. Die ehrwürdigen Hausgeister waren von so viel lautstarker Heiterkeit angetan und versorgten das alte Stadthalterhaus einen Herbst lang mit einer grossartigen Energie.


Hüter der Sache

Beck’s Präsenz im Internet machte es leicht, auch zwischen seinen regulären Veröffentlichungen Projekte aufzuspüren, an welchen er sich in unterschiedlicher Weise beteiligte. Darunter Stücke für Hollywood Film-Produktionen oder solche, an welchen er als Produzent und Gastmusiker mitwirkte. Ganz deutlich aber trug seine Handschrift, was manche seine Homepage nennen. Diese hatte Beck mit unkonventionellen und ausgebufften Innovationen gefüllt. Mit seinem Record Club entwarf er ein zukunftsweisendes Konzept, das mit ad hoc Musikerverbänden eine neue Perspektive auf ein nichtkommerzielles Angebot eröffnete. Zum Ende seiner Geffen Records Karriere stellte sich Beck also wieder die Gretchenfrage. Das oft exponierte und dargestellte Spüren nach alternativen Absatzwegen und die Verwirklichungsfrage allgemein, liessen für mich immer die nötige Demut der Musik gegenüber erkennen. Andererseits reiht sich diese Orientierung ein in die Vielfalt der Verwertungskonzepte unserer Unterhaltungsindustrie. Dass er aber den Schritt Richtung proklamierter Subversion gegen die Mechanismen der Musikindustrie konsequent verweigerte, imponierte mir zusätzlich. In der Einsicht, dass alles Wirken am Ende der grossen Maschine zudiene, wähnte ich ihn als Bruder im Geist.

Der grossen Konstante Musik wurde mit Beck ein Hirte und Schutzpatron zur Seite gestellt. Über der fortwährenden Suche nach meiner Musik schwebt seine hütende Hand. An viele Orte dieser Reise bin ich nur durch ihn gelangt. 18 Jahre mit dieser Musik haben mir Wahrheiten eröffnet, die meine Welt wirklicher machen.


23.02.2012

tell me a song



the walker brothers - the electrician (nite flights)






baby it's slow
when the lights
go low
there's no help
no
baby it's slow
when lights
go low
there's no help
no
he's drilling through
the spiritus sanctus
tonight
through
the dark hip falls
screaming
oh you mambos
kill me
and
kill me
and
kill me
if I
jerk the handle
you'll die
in your dreams
if I
jerk the handle
jerk the handle
you'll
thrill me
and
thrill me
and
thrill me
baby it's slow
when lights
go low
there's no help
no

18.02.2012

aufarbeiten: bodies of water - twist again





die umtriebigen eheleute metcalf haben mitte 2011 im stillen das dritte album von bodies of water veröffentlicht. twist again ist ein songwriting-juwel. es versammelt exzellent arrangierte und bestens ausgestattete songs, die sich immer wieder exaltiert in die arme des tröstenden disco-dramas werfen.




david & meredith metcalf




bodies of water - ever with us (twist again)





bodies of water - mary, don't you weep (twist again)





bodies of water - open rhythms (twist again)

17.02.2012

phenomenal handclap band - form & control





willkommen im handclap'schen kosmorama. orbiter nummer zwei heisst form & control. vergessen sie nicht ihre weltraumunterwäsche für diesen wochenendtrip.









13.02.2012

mit sicherheit kein innerer frieden

athen, 12.02.12
link




""Frieden", verstanden als der gewaltlose, auf Kooperation bedachte Umgang der Staaten untereinander, verliert angesichts einer Neuinterpretation von "Sicherheit" als der Gewährleistung menschlicher Grundbedürfnisse an normativer Kraf und diskursiver Macht. Eine sicherere Welt könnte deshalb auch eine unfriedlichere Welt sein."




christopher daase
sicherheit schlägt frieden
polar 11/11

10.02.2012

sentenz



"Gewöhnlich leben wir mit einem auf das Minimum reduzierten Teil unseres Wesens, die meisten unserer Fähigkeiten wachen gar nicht auf, weil sie sich in dem Bewusstsein zur Ruhe begeben, dass die Gewohnheit schon weiss, was sie zu tun hat, und ihrer nicht bedarf."



marcel proust
auf der suche nach der verlorenen zeit, bd. 2
im schatten junger mädchenblüte 

05.02.2012

01.02.2012

bastard post

zwei songs. 1992 vs. 1993. entscheidet selbst.




arthur lee - five string serenade (five string serenade)









mazzy star - five string serenade (so tonight that I might see)

29.01.2012

Bouvard et Pécuchet von Gustave Flaubert - eine Geschichte zwischen Inspiration und Ignoranz

Bouvard's und Pécuchet's Wissensdurst steht die Aussage gegenüber, es handle sich bei ihrer Geschichte um eine Beschreibung der menschlichen Dummheit. Bouvard und Pécuchet versuchen sich nacheinander in ganz verschiedenen Disziplinen der Wissenschaften und Künste. Je grösser der Eifer der beiden zu Beginn ihrer Abenteuer ist, desto mehr empören sie sich über das Scheitern ihrer Projekte. Dabei machen sich Bouvard und Pécuchet niemals Eingeständnisse, was die Qualität ihrer eigenen Motive angeht. Ihr Interesse ist rein und der Anspruch an dessen Verwirklichung absolut. Ebenso launenhaft, wie ihr intellektueller Blindflug durch die Wissenschaften, beginnt das Gelernte sie umzutreiben. Unzulänglichkeiten und Widrigkeiten lassen sie vom Glauben an das rationale und geordnete Leben abfallen. Sie entwickeln sich in der Wahrnehmung Anderer zu Anarchisten, für die Werte und Pietät nur Fortschrittshindernisse bedeuten. Ihr angestrebter Erkenntnisgewinn unterliegt keinerlei Selektion. Der Hypothese, als auch deren Entkräftung sowie dem neuerlichen Entwurf messen sie uneingeschränkte Geltung bei. Sie vernachlässigen ihre Prämissen und Veranlagungen ebenso, wie die eigene Tauglichkeit und leben in einer Dimension, in der alles gilt, jedoch nichts wahrhaftig ist.

Ihr launenhafter Wissenserwerb wird rasch einem Attraktionstest unterzogen. Die Präsentationen werden als gesellschaftliche Ereignisse auf dem landwirtschaftlichen Gut der beiden inszeniert. Dabei benutzen sie schamlos ihr Umfeld, welches der Zeit entsprechend weniger aus Freundschaften, als aus standesgemässen Kontakten besteht. Für Unverständnis oder gar Widerspruch aus dem konsternierten Publikum bringen Bouvard und Pécuchet keinerlei Verständnis auf. Im Gegenteil, schnell fühlen sie sich missverstanden und reagieren ungehalten. Da ist es dann auch kein langer Weg, bis zu den ersten verbitterten Bemerkungen über die Ignoranz oder den mangelhaften Intellekt ihrer undankbaren Bekannten. Besonders das letzte Kapitel, in welchem Bouvard und Pécuchet zwei Zöglinge direkt an ihrem Wissensschatz teilhaben lassen wollen, zeugt vom tölpelhaften Unvermögen der beiden, Verständnis für Moral und Sitten als Grundlagen eines tugendhaften Lebens weiterzureichen. Derart zur Schau gestellt, wird ihrem Wissen kein Wert anerkannt. Nur den Präsentationen selbst bekunden einige Wenige einen skurrilen Unterhaltungswert. So werden sie selber zu Attraktionen. Im Dorf sind sie bekannt, wie bunte Hunde, über die das geringste Volk verächtlich den Kopf schüttelt.






Diese Ignoranz im Wissen-Wollen ist die eklatante Dummheit Bouvard's und Pécuchet's. Sie ist hart erkämpft und äussert sich mit nervöser Penetranz. Im Gegensatz zur heutigen Zeit, bedeutete es für sie grosse Anstrengungen, zu den Mitteln zu kommen, die ihren Wissensdurst stillten. Der Roman spielt Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Das Wissen stand damals nur einer erlesenen Gemeinschaft zur Verfügung. Die Auswahl ihrer Quellen erfolgte nach einem Wirksamkeitsprinzip: konnte der Inhalt einer Lehre vor den eigenen Erfahrungen oder vor Publikum nicht bestehen, so war sie in den Augen Bouvard's und Pécuchet's widerlegt und zu nichts nutze. Mit der Hartnäckigkeit von Betrogenen sind sie auf der Suche nach einer Wahrheit, die sie in ihrer Vorstellung nur immer wieder hinters Licht führt.

Insgesamt nahm die unvollendete Schrift Gustave Flaubert's eine Entwicklung vorweg, welche sich bis heute zuspitzt. Der Eifer, wissen zu wollen, begann mit der Verfügbarkeit von Wissen und Information zu wachsen. Die Geltungssucht der Informationen reizt unsere Wissbegier umso mehr. Ein Mahlstrom der Unstillbarkeit tut sich auf. Jeder kann alles in Erfahrung bringen, zu jeder Zeit. Ein vertieftes Verständnis für die Materie und deren Anbindung an ihre Umgebung - die wahrhaftige Komponente des Wissens - wird immer seltener erlangt. Die Demokratisierung des Wissens hat so eine Abwertung desselben zur Folge. Seine spektakuläre Inszenierung transformiert Inhalte zu Tupfern in einem Mosaik, dessen Einzelteile nicht zusammenpassen wollen.

Nach allen Misserfolgen haben sich Bouvard und Pécuchet darauf beschieden, wieder zu ihrem alten Beruf zurückzukehren, da "ihnen alles unter ihren Händen in Stücke zerbrochen ist". Wenn alle Stricke reissen, sind wir also doch einfach das, was wir sind und erst dann ist das auch genug wert. Ein Effekt, welcher der rasanten Differenzierung vieler Lebensbereiche folgt, lässt sich an dieser Schlusswendung in Flaubert's Roman ablesen.
In einer Gesellschaft, die vorgibt, jedem von uns eine Unzahl von Angeboten offenzuhalten, agiert man bald mit Resignation. Jede ungenutzte, dieser potenziellen Möglichkeiten, schlägt imaginäre Krater in die eigene Vita. Und auch hier ist viel Bouvard'scher und Pécuchet'scher Eifer zu entdecken. Es scheint, als müsste in dieser Welt voller Optionen der Mensch bis auf seinen Kern abgerieben werden, in einer Mühle zwischen Wissen und Wollen, um schlussendlich zu seinem Selbstwert zu finden. Nach dieser Odyssee bleibt eine Reduktion übrig, ein Fragment unserer selbst, das blendet mit seinem Schliff und Glanz. Weshalb aber hüten wir dieses Schmuckstück vor neugierigen Blicken und verdecken nach Möglichkeit seine unprätentiöse Schönheit? Weil sich darin alle unsere verlustreichen Kämpfe spiegeln, die wir auf dem Weg zu diesem bescheidenen Gewinn ausgefochten haben. Es steht stellvertretend für den Verlust aller Möglichkeiten. Bouvard und Pécuchet haben für ihre bescheidene Erkenntnis, dass ihr ursprünglicher Beruf doch gut genug für sie sei, mit dem Verlust von Träumen und Hoffnungen bezahlt.

Es ist schwierig, dem antiken, griechischen Orakelspruch Genüge zu tun, wonach es Ziel jedes Menschen sei, sich selbst zu erkennen. Heute wie ehemals. Die Vielfalt an Werkzeugen, die man uns heute zum Sichern und Erleichtern des Wegs reicht, ist überwältigend. Umso mehr Achtsamkeit ist geboten bei deren Auswahl.

bastard post

zwei songs. 2011 vs. 2012. entscheidet selbst.




grace jones - well well well dub (hurricane)







alabama shakes - be mine (live on kcrw/morning becomes eclectic)
a voice to be heard